Das CoulCount-Verfahren ist ein elektrochemisches Rauschmessverfahren. Der Begriff Rauschen beschreibt die Fluktuation von physikalischen Variablen mit der Zeit. Elektrochemisches Rauschen ist demnach das zeitliche Fluktuieren elektrochemischer Größen, nämlich elektrochemischer Ströme und/oder elektrochemischer Potentiale in elektrochemischen Systemen. Elektrochemische Ströme stellen Ausgleichsvorgänge dar, welche dazu dienen, örtliche Potentialunterschiede auf Elektrodenoberflächen auszugleichen. Örtliche Potentialunterschiede entsprechen örtlichen Unterschieden im Niveau verfügbarer Elektronenreservoirs. Durch fließen von Elektronen vom höheren zum tieferen Niveau eines Elektronenreservoirs (=Potential) soll der Niveauunterschied ausgeglichen werden. Der Elektronenstromfluss ist so groß, wie die Summe aller Systemwiderstände es zulässt (Ohm´sches Gesetz). Wenn örtliche Systemwiderstände zeitlich fluktuieren (z.B. örtliche Widerstände im Phasengrenzbereich Elektrode/Elektrolytlösung) bedeutet dies auch ein Fluktuieren (d.h. Rauschen) der Elektronenstromintensität bzw. des elektrochemischen Potentials.
Beim CoulCount-Verfahren wird eine Kombination von Metallelektroden in einem Faraday-Käfig in die gewünschte korrosive Umgebung gebracht, z.B. in eine Elektrolytlösung getaucht und unter den Bedingungen freier Korrosion belassen. Verbindet man nun diese zwei Elektroden über ein sehr empfindliches Nullwiderstandsamperemeter miteinander, so ist es möglich, unter den freien Korrosionsbedingungen sehr kleine galvanische Ströme zu messen, welche zeitlich im Nano- bis Mikroamperebereich fluktuieren.
Das Interesse an dieser Anordnung frei korrodierender Elektrodenpaare ist zum einen, dass das nach außen messbare Stromrauschen direkt die systembedingten Korrosionsaktivitäten wiedergibt. Wichtiger ist aber noch, dass natürlich ablaufende Korrosionsvorgänge durch den Messvorgang nicht gestört oder verändert werden. Das Messen des Stromrauschens an quasi-identischen, frei im Angriffsmittel korrodierenden Elektrodenpaaren entspricht somit einem Belauschen der Korrosionsvorgänge. Es handelt sich somit gleichsam um einen Lauschangriff auf die Korrosionssysteme. Besonders bei Korrosionssystemen mit geringen Korrosionsgeschwindigkeiten sind die Stromfluktuationen zwischen den Elektroden sehr klein und müssen mit sehr sensiblen und genauen Messsystemen erfasst werden.
Zu diesem Zwecke wurden Signalaufbereitungssysteme entwickelt, die es möglich machen, diese sehr kleinen Ströme störungsarm zu erfassen und in eine proportionale Spannung umzuwandeln.
Aus diesem Grund werden auch alle Messungen in einem Faraday-Käfig durchgeführt. Nach der Signalaufbereitung wird die Spannung einem PC mit entsprechender Datenerfassungskarte zugeführt. Im PC erfolgt dann mit einem speziell entwickelten Datenerfassungsprogramm eine Weiterverarbeitung und Speicherung der Daten. Das Ziel ist die Ermittlung der gesamten Ladungsmenge, welche zwischen dem Elektrodenpaar in einem gegebenen Zeitintervall ausgetauscht wurde. Dabei ist es unabhängig, von welcher Elektrode der Elektronenaustausch ausging.
Das Stromrauschsignal aus dem Korrosionssystem enthält einen Gleichanteil und einen Rauschanteil. Unter dem Rauschanteil versteht man den Teil des Signals mit den schnelleren Fluktuationen. Der Gleichanteil ist entsprechend alles das, was nicht schnell fluktuiert. Die Abtrennung des Gleichanteils erfolgt im Datenverarbeitungsprogramm durch einen Software-Filter.
Der übrigbleibende Rauschanteil wird mit Hilfe des Datenverarbeitungsprogramms in eine Ladungsmenge überführt und aufsummiert. Letztlich werden im CoulCount-Verfahren die für das Stromrauschen verantwortlichen Elektronen gezählt und über einen vorgegebenen Zeitraum aufsummiert. Hierher stammt auch der Name des Verfahrens: Coulombs Counting = CoulCount. Im Prinzip handelt es sich um eine Umwandlung unübersichtlicher fluktuierender Rauschdaten in leicht interpretierbare stetig ansteigende Kurven. Die Steilheit der Kurven spiegelt die Rauschintensität im Korrosionssystem wieder.